Rebellen-Offensive in Syrien: Assad unter massivem Druck
Die syrische Rebellen-Offensive hat den seit über einem Jahrzehnt andauernden syrischen Bürgerkrieg in eine neue Phase katapultiert. In einem strategischen Überraschungsangriff eroberten die Rebellen am 27. November 2024 die Stadt Aleppo, erzielten massive Geländegewinne und setzten das Regime von Präsident Baschar al-Assad unter extremen Druck. Dies ist die bedeutendste Entwicklung des Konflikts seit Jahren und hat nicht nur nationale, sondern auch internationale Konsequenzen.
Aleppo fällt: Ein Wendepunkt im Bürgerkrieg
Der Fall von Aleppo, Syriens zweitgrößter Stadt, symbolisiert den größten Erfolg der Rebellen seit Beginn des Konflikts. Die Einnahme der Stadt gelang durch einen kombinierten Einsatz von VBIEDs (fahrzeuggestützten Sprengsätzen) und gut koordinierten militärischen Angriffen. Die Autobomben, beladen mit Sprengstoff und gesteuert von Selbstmordattentätern, öffneten Lücken in den Verteidigungslinien der syrischen Streitkräfte. Diese Lücken wurden von den Rebellen strategisch ausgenutzt, um rasch vorzurücken und die Stadt unter ihre Kontrolle zu bringen.
Die Offensive wurde als Antwort auf den verstärkten Beschuss von Zivilisten durch das Assad-Regime erklärt. Dieser Vorstoß hat jedoch nicht nur Aleppo betroffen. Auch die strategisch wichtigen Städte Hama und Homs gerieten ins Visier der Rebellen. Ein Verlust dieser beiden Städte könnte das Ende der Herrschaft Assads bedeuten.
„Assad ist geschwächt wie schon lange nicht mehr. Seine Herrschaft ist ernsthaft bedroht“, berichtet die syrische AMEPRES-Redaktion
Das Assad-Regime und die Stellung der Alawiten
Die Alawiten sind eine schiitische Sondergemeinschaft, die nur etwa 12% der syrischen Bevölkerung ausmacht. Das Assad-Regime ist alawitisch. Sie gelten unter sunnitischen Islamisten oft als Apostaten und sind daher besonders gefährdet. Ihre Stellung als Minderheit und die sunnitische Dominanz im Land machen sie besonders anfällig für Angriffe. Die Angst davor, war stets die große Triebfeder für den Machterhalt Assads alawitischer Baath-Partei. Ihre Hauptsiedlungsgebiete liegen in der Küstenregion um Latakia.
Die treibenden Kräfte: Wer sind die Rebellen?
1. Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS): Führende Kraft der Offensive
Die Offensive wird hauptsächlich von Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), einer islamistischen Organisation mit Wurzeln in der Al-Nusra-Front, angeführt. HTS wird international als Terrororganisation eingestuft und ist bekannt für ihre radikalislamistische Ideologie. Dennoch versucht die Gruppe zunehmend, sich als moderater Akteur zu präsentieren.
„Führungsfigur Abu Muhammad al-Dschaulani, der aktuelle Anführer von HTS, wird von den USA mit einem Kopfgeld von 10 Millionen Dollar gesucht“, erklärt AMEPRES Syrienexperte Jürgen Dirrigl.
Offiziell hat HTS erklärt, Zivilisten in den eroberten Gebieten zu schützen. In Aleppo gab es bislang keine Berichte über Angriffe auf die christliche Minderheit oder Andersgläubige. Dennoch bleibt die Organisation durch ihre Geschichte mit der Al-Nusra-Front eng mit extremistischen Ideologien der alten Al Kaida verknüpft.
Obwohl die Rebellengruppen in Syrien nicht unterschiedlicher sein könnten, komplett unterschidlichen Werten folgen, politisch konträr sind und verschiedenen internationalen Akteuren dienen, konnte die HTS für die jetzige Offensive die relevanten Kräfte vereinen.
2. Syrische Nationalarmee (SNA): Die türkische Proxy-Armee
Die Syrische Nationalarmee (SNA) besteht aus verschiedenen islamistischen Milizen und ist ein zentraler Akteur in den aktuellen Entwicklungen. Die SNA wird von der Türkei unterstützt und ausgerüstet, um sowohl gegen Assad als auch gegen kurdische Gruppen wie die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vorzugehen.
Die Türkei nutzt die SNA auch außerhalb Syriens, beispielsweise in Konflikten wie in Libyen oder Aserbaidschan. Ihre Beteiligung an der Offensive zeigt einmal mehr die enge Verzahnung von lokalen und internationalen Interessen im syrischen Bürgerkrieg.
3. Syrische Demokratische Kräfte (SDF): Ein Bündnis auf wackeligen Beinen
Die SDF, eine von Kurden dominierte Miliz, steht in ideologischer Verbindung zur PKK und wird von den USA unterstützt. Trotz ideologischer Gegensätze haben die SDF und das Assad-Regime in der Vergangenheit temporäre Allianzen geschlossen, um gemeinsamen Feinden wie der Türkei zu begegnen.
Einige Berichte deuten darauf hin, dass die SDF Teile ihres Territoriums kampflos an die Rebellen übergeben haben. Dies könnte auf informelle Absprachen hindeuten.
Geopolitische Dynamiken: Russland, Iran und Hisbollah
Russland: Ein geschwächter Verbündeter
Russland, ein Hauptunterstützer des Assad-Regimes, sieht sich aufgrund des Ukraine-Krieges mit begrenzten Ressourcen konfrontiert. Während Russland Assad weiterhin logistische und militärische Unterstützung bietet, fehlt es an der Fähigkeit, aktiv in Syrien einzugreifen.
Ein möglicher Sturz Assads würde auch Russlands strategische Interessen gefährden, insbesondere die Militärbasis Hmeimim und die Marinebasis Tartus, die entscheidend für die russische Präsenz im Mittelmeer sind.
Iran und Hisbollah: Partner am Limit
Der Iran und die libanesische Hisbollah haben in den letzten Jahren massiv in Syrien investiert, um Assad zu stützen. Doch die Verluste der Hisbollah, durch den Konflikt mit Israel am Rande des Gazakriegs, haben ihre Schlagkraft erheblich reduziert.
Dirrigl ist sich auch sicher: „Die zeitliche Nähe zwischen der Offensive der Rebellen in Syrien und dem Waffenstillstand der Hisbollah und Israel ist zu auffällig, um ein Zufall zu sein.“
Der Iran seinerseits hat jetzt zusätzliche Milizen mobilisiert, um Assad zu unterstützen, doch es ist fraglich, ob dies noch ausreicht.
Kriegsverbrechen und humanitäre Katastrophen
Der Bürgerkrieg in Syrien bleibt durch Kriegsverbrechen auf allen Seiten geprägt. Während Assad weiterhin Zivilisten bombardiert, gibt es Berichte über Exekutionen gefangener Soldaten durch die Rebellen.
Die humanitäre Lage in den betroffenen Gebieten ist katastrophal. Hunderttausende Menschen befinden sich auf der Flucht, und die Infrastruktur in Städten wie Aleppo wurde durch die Kämpfe erneut schwer beschädigt.
Warum ist der Fall von Hama und Homs entscheidend?
Die Städte Hama und Homs sind nicht nur geografisch, sondern auch strategisch entscheidend für das Überleben des Assad-Regimes. Homs verbindet die Hauptstadt Damaskus mit der Küstenregion Latakia, wo die Alawiten – Assads Machtbasis – dominieren.
Ein Verlust dieser Städte würde die Nachschublinien des Regimes unterbrechen und die Verteidigungsfähigkeit entscheidend schwächen. Die AMEPRES Experten sind sich einig, dass der Fall von Homs das Ende des Assad-Regimes einleiten könnte.
„Die Rebellen sind nur noch 75 Kilometer von einem strategischen Sieg entfernt“, glaubt Dirrigl, der die Region seit Jahrzehnten kennt:“…und dann ist Assad Geschichte.„
Die Rolle der Türkei und ihre langfristigen Ziele
Die Türkei verfolgt im syrischen Bürgerkrieg sowohl strategische als auch innenpolitische Ziele. Millionen syrischer Flüchtlinge befinden sich in der Türkei, was soziale und wirtschaftliche Spannungen verursacht. Durch die Unterstützung der SNA und die Besetzung von syrischem Territorium versucht Ankara, die Flüchtlinge zurückzuführen und eine Pufferzone zu schaffen. Alleine deshalb will die Türkei ihre besetzten Gebiete in der Region Idlib halten.
Gleichzeitig strebt die Türkei an, die kurdische Autonomiebewegung in Syrien zu schwächen, um ähnliche Bestrebungen im eigenen Land zu verhindern.
Fazit: Ein Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg
Die syrische Rebellen-Offensive hat den Konflikt in Syrien neu definiert. Der Fall von Aleppo und die Bedrohung von Hama und Homs zeigen, wie fragil Assads Herrschaft geworden ist.
Ob die Unterstützung durch den Iran, Russland und die Hisbollah ausreicht, um das Regime zu stabilisieren, bleibt abzuwarten. Doch die jüngsten Entwicklungen könnten das Ende einer Ära einläuten – und eine neue Phase des syrischen Bürgerkriegs einleiten.