Jemen 2024 – Analyse von Krieg, Krise und internationalen Interessen
Jemen steht heute vor einer unsicheren Zukunft, die von jahrzehntelangen Konflikten und politischen Umbrüchen geprägt ist. Die Teilung in Nord- und Südjemen nach dem Zweiten Weltkrieg führte über Phasen der Einheit und erneuten Spaltung zu einem tiefen Bürgerkrieg.
Die Situation wird durch die komplexe weltpolitische Lage weiter verschärft, da verschiedene regionale und internationale Akteure involviert sind: Saudi-Arabien und die VAE unterstützen die Regierung, während der Iran die Huthis fördert, um seinen Einfluss zu sichern.
Durch die Verstrickung externer Mächte hat sich im Jemen ein Stellvertreterkrieg entwickelt, der die Stabilität der gesamten Region gefährdet und zu einer humanitäre Krise unvorstellbaren Ausmaßes geführt hat.
Nur die Zusammenfassung lesen…
Seit Jahrzehnten ist der Jemen von Konflikten geprägt. Von der Kolonialzeit über die Teilung in Nord- und Südjemen bis zur Vereinigung 1990 – die Geschichte des Landes ist eine Geschichte von Umbrüchen und Spannungen. Die Situation eskalierte mit dem Arabischen Frühling 2011: Massenproteste führten zum Rücktritt von Präsident Saleh, und der daraufhin ausbrechende Machtkampf zwischen der Regierung unter Hadi und der Huthi-Bewegung führte zum Bürgerkrieg und zur humanitären Krise.
Die Hauptstadt Sanaa zeigt heute die Spuren des langen Konflikts in Form von Verfall und Vernachlässigung. Der Bürgerkrieg vertiefte auch ethnische und religiöse Spannungen, insbesondere zwischen den Zaiditen und der sunnitischen Mehrheit. Die Huthis, eine schiitische Gruppe, erlangten im Verlauf des Konflikts die Kontrolle über weite Teile des Landes, insbesondere im Norden.
Die humanitäre Krise im Jemen ist eine der schlimmsten weltweit: Millionen Menschen sind von Hunger und einer fehlenden Gesundheitsversorgung betroffen, und die Infrastruktur des Landes ist weitgehend zusammengebrochen. Besonders schwer trifft die Krise die Kinder, die unter akuter Mangelernährung leiden. Viele Familien verlassen ihre Heimat und finden nur notdürftig Schutz und Versorgung in überfüllten Lagern.
Marib und Aden sind zu wichtigen Zufluchtsorten für Millionen Binnenvertriebene geworden, die in provisorischen Lagern Schutz suchen. Die Lebensbedingungen in diesen überfüllten Lagern sind extrem schwierig, und viele Menschen sind auf internationale Hilfe angewiesen. Auch in den südlichen Provinzen wie Dhale‘ und Regionen wie Ibb haben sich viele Vertriebene niedergelassen und kämpfen mit den prekären Bedingungen.
Ein wesentlicher Aspekt des Konflikts sind die internationalen Verstrickungen: Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen die Regierung im Jemen, um den Einfluss des Iran auf die Huthis zu begrenzen. Die USA, Großbritannien und Frankreich stärken die saudische Koalition strategisch, während Russland eine eher neutrale Position einnimmt. Diese geopolitischen Interessen haben den Konflikt in einen komplexen Stellvertreterkrieg verwandelt.
Die Huthis sind heute der handelnde Hauptakteur: Ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer haben internationale Aufmerksamkeit erregt und den globalen Handel beeinträchtigt. Der Iran unterstützt die Huthis, um Saudi-Arabien unter Druck zu setzen, während Saudi-Arabien seinerseits Huthi-Stellungen im Jemen bombardiert.
Eine Lösung scheint äußerst komplex und erfordert Verhandlungen auf regionaler und internationaler Ebene. Der Konflikt zeigt, wie tief die Zerstörungen und Verwerfungen im Land reichen und welche Herausforderungen das jemenitische Volk bewältigen muss.
Einen Kommentar finden sie am Ende des Artikels…
Von der Kolonialzeit zur Unabhängigkeit: Jemens Weg nach 1945
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 war Jemen noch geteilt. Der Norden erlangte 1918 die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich, während der Süden bis 1967 unter britischer Kontrolle blieb. Diese Teilung prägte die weitere politische Entwicklung Jemens maßgeblich.
1962 wurde im Nordjemen die Monarchie gestürzt und die Jemenitische Arabische Republik ausgerufen. Der Süden folgte 1967 mit der Gründung der Demokratischen Volksrepublik Jemen. Beide Staaten verfolgten unterschiedliche politische Systeme, was zu Spannungen führte.
Die politische Landschaft im Jemen hat sich seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1967 damit dramatisch verändert.
- Der Nordjemen (Jemenitische Arabische Republik) war bereits seit 1918 unabhängig vom Osmanischen Reich.
- Der Südjemen (Volksdemokratische Republik Jemen) wurde 1967 unabhängig und verfolgte einen sozialistischen Kurs.
1990 vereinigten sich diese beiden Staaten zur Republik Jemen unter Präsident Ali Abdullah Saleh.
Herausforderungen der Einheit
Die Vereinigung brachte neue Probleme mit sich:
- 1994 kam es zu einem Bürgerkrieg, als südliche Kräfte die Abspaltung versuchten.
- Regionale und religiöse Spannungen blieben bestehen, insbesondere zwischen dem Norden und Süden.
- Die Huthi-Bewegung im Norden begann ab 2004 an Einfluss zu gewinnen.
Arabischer Frühling und neue Konflikte
2011 erreichte der Arabische Frühling den Jemen:
- Massenproteste zwangen Präsident Saleh zum Rücktritt.
- Sein Stellvertreter Abdrabbuh Mansur Hadi übernahm die Macht.
- Ein Übergangsprozess wurde eingeleitet, scheiterte aber letztendlich.
2014 eskalierte die Situation erneut:
- Die Huthis eroberten die Hauptstadt Sanaa.
- Präsident Hadi floh nach Saudi-Arabien.
- Eine von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition griff in den Konflikt ein.
Aktuelle Situation
Heute ist der Jemen de facto gespalten:
- Der Norden wird von den Huthis kontrolliert.
- Der Süden und Osten stehen nominell unter der Kontrolle der international anerkannten Regierung.
- Seit 2022 wird das Land offiziell von einem achtköpfigen Präsidialrat regiert.
- Separatistische Bewegungen im Süden streben nach Unabhängigkeit.
- Terrorgruppen wie Al-Qaida nutzen das Machtvakuum in einigen Regionen.
Internationale Dimension
Der Konflikt hat eine starke internationale Dimension angenommen:
- Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen die Regierung.
- Der Iran wird beschuldigt, die Huthis zu unterstützen.
- Die Huthis haben durch Angriffe auf Schiffe im Roten Meer internationale Aufmerksamkeit erregt.
Die Entwicklungen seit 1990 zusammengefasst
Nach der Vereinigung Nord- und Südjemens 1990 unter Präsident Ali Abdullah Saleh brach schon 1994 der Bürgerkrieg aus, als südliche Kräfte die Abspaltung versuchten. Saleh konnte sich durchsetzen, aber die Spannungen zwischen Nord und Süd blieben bestehen.
In dieser Zeit begannen auch die Huthis, eine schiitische Gruppe aus dem Norden, an Einfluss zu gewinnen. Zwischen 2004 und 2010 kam es zu mehreren Aufständen der Huthis gegen die Zentralregierung.
Die Massenproteste des Arabischen Frühlings erreichte 2011 auch Jemen und zwangen Präsident Saleh zum Rücktritt. Sein Stellvertreter Abdrabbuh Mansur Hadi übernahm die Macht, konnte aber die verschiedenen Interessengruppen nicht einen.
Die Huthis nutzten das Machtvakuum und eroberten 2014 die Hauptstadt Sanaa. Präsident Hadi floh nach Saudi-Arabien, was zur Intervention einer von Saudi-Arabien geführten Koalition führte.
Komplexe Fronten und internationale Verstrickungen
Mehrere internationale Mächte sind am Konflikt in Jemen beteiligt und verfolgen dabei unterschiedliche Interessen:
Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate
Saudi-Arabien und die VAE führen die Militärkoalition gegen die Huthis an:
- Hauptziel ist die Eindämmung des iranischen Einflusses in der Region
- Sicherung der Grenzen und geostrategischer Interessen, z.B. Kontrolle über wichtige Seewege
- Saudi-Arabien will seine Rolle als regionale Führungsmacht stärken und Machtprestige demonstrieren
Iran
Iran unterstützt die Huthis:
- Ausweitung des eigenen Einflusses auf der Arabischen Halbinsel
- Indirekter Druck auf den Rivalen Saudi-Arabien
- Militärische und strategische Beratung sowie Waffenlieferungen an die Huthis
USA, Großbritannien und Frankreich
Diese westlichen Mächte unterstützen die saudisch geführte Koalition:
- Strategische Beratung und logistische Unterstützung
- Sicherung eigener geostrategischer Interessen in der Region
- Kontrolle über wichtige Schifffahrtsrouten wie die Meerenge Bab al-Mandab
Russland
Russland verfolgt eine eher neutrale Position:
- Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu allen jemenitischen Akteuren
- Geostrategische Interessen an der Meerenge Bab al-Mandab
- Zuletzt Annäherung an den Südübergangsrat
Weitere Akteure
- Deutschland und andere waffenexportierende Länder sind indirekt durch Rüstungsexporte involviert
- Die EU hat die Mission Aspides zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer gestartet
Die Interessen der internationalen Mächte umfassen somit:
- Regionale Machtpolitik und Eindämmung rivalisierender Einflüsse
- Kontrolle über strategisch wichtige Seewege und Häfen
- Sicherung wirtschaftlicher Interessen, insbesondere im Ölgeschäft
- Demonstration militärischer Stärke und Erlangung von Prestige
Der Konflikt in Jemen hat sich dadurch zu einem komplexen Stellvertreterkrieg entwickelt, in dem regionale und globale Mächte ihre Interessen verfolgen.
Die Rolle der Huthis in der aktuellen Weltpolitik
Die Huthis haben sich von einer lokalen Rebellengruppe zu einem wichtigen regionalen Akteur entwickelt. Ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer seit Ende 2023 haben weltweite Aufmerksamkeit erregt und die globale Schifffahrt beeinträchtigt.
Diese Aktionen zeigen die gewachsene Bedeutung der Huthis, die nun auch die internationale Politik beeinflussen. Sie nutzen die Angriffe, um Druck auf Israel und dessen Verbündete auszuüben und ihre Position in Jemen zu stärken.
Die Beziehung zwischen den Huthis und dem Iran hat sich über die Jahre zu einer komplexen Partnerschaft entwickelt, die sowohl für die Huthis als auch für den Iran von Vorteil ist.
Anfänge der Zusammenarbeit
Die ersten Kontakte zwischen dem Iran und den Huthis reichen bis mindestens 2009 zurück. Zu dieser Zeit kämpften die Huthis gegen die jemenitische Regierung, und der Iran begann, sie mit Waffen zu unterstützen. Dies geschah vor allem als Reaktion auf die militärische Intervention Saudi-Arabiens, Irans regionalem Rivalen.
Vertiefung der Beziehungen ab 2014
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Jemen 2014 und der Einnahme der Hauptstadt Sanaa durch die Huthis intensivierte sich die iranische Unterstützung deutlich. Der Iran sah in den Huthis eine Möglichkeit, seinen Einfluss auf der Arabischen Halbinsel auszuweiten und indirekt Druck auf Saudi-Arabien auszuüben.
Militärische und technische Unterstützung
Im Laufe der Jahre hat der Iran den Huthis umfangreiche militärische und technische Hilfe zukommen lassen:
- Lieferung von Kurz- und Mittelstreckenraketen sowie Marschflugkörpern
- Ausbildung und Training durch die Iranischen Revolutionsgarden und die Hisbollah
- Unterstützung beim Aufbau eigener Waffenfabriken, insbesondere für Drohnen
Finanzielle Unterstützung
Obwohl belastbare Zahlen fehlen, wird angenommen, dass der Iran die Huthis in hohem Maße finanziell unterstützt, um deren militärische Operationen und Verwaltung in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu ermöglichen. Die US-Regierung hat Sanktionen gegen Personen und Organisationen verhängt, die beschuldigt werden, die Huthis durch den Verkauf und Versand von iranischen Gütern finanziell zu unterstützen.
Diese Unterstützung hat die militärischen Fähigkeiten der Huthis erheblich verbessert und sie in die Lage versetzt, Ziele in großer Entfernung anzugreifen, einschließlich Schiffe im Roten Meer
Politische und diplomatische Zusammenarbeit
Neben der militärischen Unterstützung hat der Iran auch die politische und diplomatische Position der Huthis gestärkt:
- Offizielle Anerkennung der Huthi-Regierung und Empfang eines Huthi-Botschafters in Teheran
- Unterstützung bei Medien und Propaganda, z.B. durch die Einrichtung des Huthi-Senders Al-Masirah in einem von der Hisbollah kontrollierten Teil Beiruts
Eigenständigkeit der Huthis
Trotz der engen Zusammenarbeit sind die Huthis, entgegen weitläufiger Meinung, keine reine Proxy-Gruppe des Irans:
- Die Huthis verfolgen eigene Ziele und treffen unabhängige Entscheidungen
- Sie könnten heute auch unabhängig vom Iran weiterbestehen und zumindes regional agieren
- Ihre Ideologie und religiöse Ausrichtung (Zaidismus) unterscheidet sich von der des Iran
Aktuelle Entwicklungen
In jüngster Zeit hat sich die Bedeutung der Huthis für den Iran weiter erhöht:
- Die Huthis spielen eine wichtige Rolle in der iranischen Strategie im Nahen Osten, insbesondere im Konflikt mit Israel
- Ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer haben internationale Aufmerksamkeit erregt und die globale Schifffahrt beeinträchtigt
Ethnische und religiöse Spannungen als Konfliktfaktor
Die ethnischen Konflikte in Jemen spielen eine ebenso wichtige Rolle in der aktuellen Krise. Das Land ist ethnisch und religiös vielfältig.
Diese Vielfalt wurde oft politisch instrumentalisiert, was zu Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen führte. Die Marginalisierung bestimmter Regionen und Ethnien trug zur Entstehung von Rebellenbewegungen wie den Huthis bei.
Arabische Mehrheit
Die überwiegende Mehrheit der jemenitischen Bevölkerung (etwa 97%) sind Araber. Allerdings gibt es innerhalb dieser Gruppe bedeutende Unterschiede und zwei grundsätzlich ausgeprägte regionale Identitäten im Land:
- Nordjemeniten: Traditionell dominieren sie die politische und wirtschaftliche Landschaft des Landes.
- Südjemeniten: Sie fühlen sich oft marginalisiert und streben nach mehr Autonomie oder sogar Unabhängigkeit.
Die ethnischen und religiösen Unterschiede führen maßgeblich zu folgenden Prägungen der beiden Landeshälften:
- Die Huthis, die hauptsächlich Zaiditen sind, kontrollieren den Norden des Landes.
- Im Süden gibt es starke separatistische Bewegungen, die von der südjemenitischen Identität geprägt sind.
Religiöse und kulturelle Identitäten
Die ethnische Zugehörigkeit ist oft eng mit religiösen und kulturellen Identitäten verwoben:
- Zaiditen: Eine schiitische Gruppe, der etwa 30-45% der Bevölkerung angehören, hauptsächlich im Norden.
- Sunniten: Die Mehrheit der Bevölkerung, etwa 65%.
- Al-Akhdam (Muhamasheen): Die Al-Akhdam, auch als Muhamasheen bekannt, sind eine stark marginalisierte ethnische Minderheit. Sie machen schätzungsweise 500.000 bis 3 Millionen Menschen aus Ihre Herkunft wird oft auf äthiopische Wurzeln zurückgeführt. Sie leiden unter extremer Diskriminierung und Ausgrenzung in der jemenitischen Gesellschaft.
- Somalische Gemeinschaft: Etwa 2% der Bevölkerung sind ethnische Somalis.
- Südasiatische Gemeinschaften: Etwa 1% sind pakistanische oder indische Arbeitsmigranten.
Soziale und wirtschaftliche Auswirkungen
- Die ethnische Zugehörigkeit beeinflusst oft den Zugang zu Ressourcen und Machtpositionen
- Marginalisierte Gruppen wie die Al-Akhdam leiden besonders unter Armut und Diskriminierung
Die ethnische Vielfalt des Jemen ist sowohl eine Quelle kulturellen Reichtums als auch ein Faktor für politische und soziale Spannungen. Die Herausforderung für die Zukunft des Landes liegt darin, einen Weg zu finden, diese Vielfalt in einem inklusiven politischen und gesellschaftlichen System zu integrieren.
Humanitäre Krise
Der Konflikt im Jemen hat verheerende Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung. So erlebt der Jemen eine der schlimmsten humanitären Krisen weltweit:
Über 18 Millionen Menschen (etwa 60% der Bevölkerung) sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat nicht genug zu essen, rund 5 Millionen Kinder unter 5 Jahren leiden an akuter Unterernährung. Es gibt heute über 4 Millionen Binnenvertriebene im Land.
Wirtschaftlicher Zusammenbruch
Die ohnehin schwache jemenitische Wirtschaft ist fast komplett zusammengebrochen. Mehr als 50% aller Jemeniten haben seit Beginn des Konflikts ihre Arbeit verloren. Die Abwertung der Währung und steigende Lebensmittelpreise sorgten für eine dramatische Reduzierung der Kaufkraft. Viele Menschen können sich grundlegende Lebensmittel nicht mehr leisten, obwohl diese auf den Märkten teilweise verfügbar sind.
Zerstörung der Infrastruktur
Wichtige Infrastruktur wurde durch den Konflikt stark beschädigt oder zerstört:
- Das Bildungs- und Gesundheitssystem ist zusammengebrochen.
- Die Wasser- und Sanitärversorgung ist vielerorts nicht mehr gewährleistet.
- Industrieanlagen und landwirtschaftliche Infrastruktur wurden systematisch zerstört.
Gesellschaftliche Spaltung
Der Konflikt hat zu einer tiefen Spaltung der jemenitischen Gesellschaft geführt. Die erwähnten regionalen, konfessionellen und ethnischen Unterschiede haben sich verschärft. Das Vertrauen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ist stark beschädigt. Neue konfessionelle Spaltungen sind durch das verstärkte Auftreten radikal-religiöser Gruppen entstanden.
Sicherheitslage und Gewalt
Die Bevölkerung leidet unter der anhaltenden Gewalt und Unsicherheit:
- Zivilisten sind regelmäßig Opfer von Luftangriffen und Kampfhandlungen.
- Die allgemeine Sicherheitslage hat sich verschlechtert, die Kriminalität ist gestiegen.
- Blutfehden zwischen Stämmen haben zugenommen.
Psychische Belastung
Der langanhaltende Konflikt hat schwerwiegende psychische Folgen. Viele Menschen leiden unter Traumata und psychischen Problemen. Besonders Kinder sind von den Auswirkungen des Krieges betroffen.
Einschränkung der Zivilgesellschaft
Die Handlungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft wurden stark eingeschränkt. In von Huthis kontrollierten Gebieten werden zivilgesellschaftliche Aktivitäten unterdrückt. Auch in anderen Gebieten müssen zivilgesellschaftliche Aktivitäten zunehmend genehmigt werden.
Insgesamt hat der Konflikt zu einer umfassenden Verschlechterung der Lebensbedingungen für die jemenitische Bevölkerung geführt. Die humanitäre Lage bleibt katastrophal, und eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Die internationale Gemeinschaft bemüht sich um humanitäre Hilfe und Unterstützung beim Wiederaufbau, aber die anhaltenden Kämpfe erschweren diese Bemühungen erheblich.
Ausblick: Jemens unsichere Zukunft
Die politische Entwicklung Jemens bleibt ungewiss. Jemen hat sich somit von einem geteilten Land über eine kurze Phase der Einheit zu einem komplexen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung entwickelt. Die humanitäre Situation ist katastrophal, und eine politische Lösung scheint derzeit in weiter Ferne. Die jüngsten Entwicklungen im Roten Meer haben die Friedensbemühungen zunächst zurückgeworfen:
- Die Gespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthis sind ins Stocken geraten.
- Die Rolle des Iran bleibt ein kritischer Faktor für mögliche Friedensverhandlungen.
- Die UN-Vermittlungsbemühungen unter Hans Grundberg werden wahrscheinlich fortgesetzt, aber der Weg zu einem umfassenden Friedensabkommen bleibt schwierig.
Die humanitäre Situation wird voraussichtlich kritisch bleiben:
- Millionen Jemeniten sind weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen.
- Die wirtschaftliche Lage des Landes bleibt prekär, mit hoher Arbeitslosigkeit und Inflation.
- Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung bleibt für viele Menschen eingeschränkt.
Die Entwicklungen in Jemen haben weiterhin große Auswirkungen auf die Region und darüber hinaus:
- Die Sicherheit der Schifffahrt im Roten Meer bleibt ein wichtiges internationales Thema.
- Die Rolle Jemens und das Vorgehen der Hutis als Proxys des Irans bleibt weltpolitisch bedeutsam
- Die USA und andere westliche Mächte werden wohl auch mir Trump im weißen Haus in den Konflikt involviert bleiben, sei es durch militärische Aktionen oder diplomatische Bemühungen. Wie in vielen geopolitischen Themen ist dabei jedoch keine klare Strategie der Trump-Administration zu erkennen.
- Dies gilt im Grund für alle westlichen Akteure. Man vertritt uralte eigene Interessen. Dies jedoch planlos und von nationalen Bedürfnissen getrieben.
Mögliche Szenarien für die Zukunft des Landes
- Fortdauernder Konflikt: Der Status quo bleibt bestehen, mit sporadischen Kämpfen und einer sich weiter verschlechternden humanitären Lage.
- Schrittweise Deeskalation: Durch Verhandlungen könnte es zu einer graduellen Verbesserung der Situation kommen, möglicherweise mit einer Föderalisierung des Landes. Hierzu bräuchte es aber gemeinsam Strategien alle beteiligten Akteure.
- Eskalation: Eine Verschärfung des Konflikts, insbesondere durch verstärkte internationale Einmischung, ist nicht auszuschließen.
- Fragmentierung: Das Land könnte de facto in mehrere autonome Regionen zerfallen, ohne formelle Teilung.
K O M M E N T A R
…und fünf konkrete Punkte zur Deeskalation
Die Situation im Jemen ist eine humanitäre Tragödie von erschütterndem Ausmaß. Seit Jahren leiden Millionen unschuldiger Menschen, insbesondere Kinder, unter den verheerenden Folgen eines komplexen Konflikts, der von Machthunger, geopolitischen Interessen und religiösen Spannungen angetrieben wird. Es ist herzzerreißend zu sehen, wie eine ganze Generation in Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit aufwächst. Die jüngsten Entwicklungen, bei denen die Huthis Handelsschiffe im Roten Meer angreifen, zeigen einmal mehr, wie fragil die Situation ist und wie schnell regionale Konflikte globale Auswirkungen haben können. Es ist frustrierend zu beobachten, wie die Bemühungen um Frieden immer wieder von kurzfristigen Machtinteressen untergraben werden, während die jemenitische Bevölkerung den Preis dafür zahlt. Um die Lage im Jemen nachhaltig zu verbessern, müssen alle beteiligten Akteure dringend folgende Punkte umsetzen:
- Sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand: Alle Konfliktparteien, einschließlich der Huthis, der jemenitischen Regierung und der von Saudi-Arabien geführten Koalition, müssen unverzüglich die Kampfhandlungen einstellen. Dies muss von einem robusten Überwachungsmechanismus begleitet werden, der von den Vereinten Nationen geleitet wird und Verstöße sofort meldet und sanktioniert.
Fundamentaler Fehler:
Die Akteure haben seit 1990 wiederholt auf militärische Lösungen gesetzt, anstatt den Dialog zu suchen. Die Intervention Saudi-Arabiens 2015 und die anhaltende Unterstützung der Huthis durch den Iran haben den Konflikt weiter eskaliert und die humanitäre Krise verschärft.
- Umfassender humanitärer Zugang: Die Blockaden von Häfen und Flughäfen müssen vollständig aufgehoben werden, um einen ungehinderten Fluss von Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen alle Parteien garantieren, dass humanitäre Helfer sicher und ungehindert im ganzen Land arbeiten können. Dies erfordert die Einrichtung sicherer Korridore und den Schutz von Hilfskonvois durch neutrale Sicherheitskräfte.
Fundamentaler Fehler:
Die Konfliktparteien haben humanitäre Belange oft politischen und militärischen Zielen untergeordnet. Die Blockade des Hafens von Hudaida durch die saudisch geführte Koalition und die Behinderung von Hilfslieferungen durch die Huthis haben die humanitäre Krise massiv verschärft.
- Inklusiver politischer Dialog: Unter der Schirmherrschaft der UN muss ein umfassender politischer Dialogprozess initiiert werden, der alle relevanten jemenitischen Akteure einbezieht, einschließlich der Huthis, der Regierung, des Südlichen Übergangsrats und Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere Frauen und Jugendliche. Dieser Dialog muss auf eine föderale Struktur hinarbeiten, die den verschiedenen regionalen Interessen Rechnung trägt und eine gerechte Verteilung der Ressourcen sicherstellt.
Fundamentaler Fehler:
Seit der Vereinigung 1990 haben die politischen Eliten es versäumt, einen wirklich inklusiven politischen Prozess zu etablieren. Die Marginalisierung bestimmter Gruppen, insbesondere der Zayditen im Norden und der Südjemeniten, hat zu Ressentiments und Konflikten geführt.
- Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung: Ein umfassendes Programm zum wirtschaftlichen Wiederaufbau muss implementiert werden, das sich auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Wiederherstellung der Infrastruktur und die Förderung des Privatsektors konzentriert. Dies sollte durch einen internationalen Geberfonds unterstützt werden, der streng überwacht wird, um Korruption zu verhindern. Besonderes Augenmerk muss auf die Förderung nachhaltiger Landwirtschaft und erneuerbarer Energien gelegt werden, um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren.
Fundamentaler Fehler:
Die jemenitischen Regierungen haben es seit 1990 versäumt, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. Korruption, Misswirtschaft und die Vernachlässigung ländlicher Gebiete haben zu weit verbreiteter Armut und Unzufriedenheit geführt.
- Regionale Deeskalation und Nichteinmischung: Die regionalen Mächte, insbesondere Saudi-Arabien und Iran, müssen sich verpflichten, ihre militärische und finanzielle Unterstützung für die Konfliktparteien einzustellen. Stattdessen sollten sie konstruktiv an einer regionalen Sicherheitsarchitektur arbeiten, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Dies könnte durch die Einrichtung eines regionalen Forums für Sicherheit und Zusammenarbeit erreicht werden, das von neutralen Staaten moderiert wird und verbindliche Mechanismen zur Konfliktlösung entwickelt.
Fundamentaler Fehler:
Regionale Mächte, insbesondere Saudi-Arabien und Iran, haben den Jemen-Konflikt als Stellvertreterkrieg genutzt, um ihre eigenen geopolitischen Interessen zu verfolgen. Diese Einmischung hat den Konflikt verlängert und verkompliziert, anstatt zu einer Lösung beizutragen.
Die Probleme im Jemen haben ihre Wurzeln in langfristigen strukturellen Fehlern und Versäumnissen. Eine nachhaltige Lösung erfordert daher nicht nur kurzfristige Maßnahmen, sondern auch eine grundlegende Neuausrichtung der Politik aller beteiligten Akteure.
Die Umsetzung dieser Punkte erfordert demnach ein hohes Maß an politischem Willen und internationaler Zusammenarbeit. Nur wenn alle Akteure ihre kurzfristigen Interessen zurückstellen und das Wohl der jemenitischen Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen, besteht die Chance auf einen nachhaltigen Frieden und eine bessere Zukunft für den Jemen.
Ob dies zu erwarten ist? Nein, natürlich nicht!
Artikel lizensiert für die Anstalten der Deutschen Welle – copyright in Wort und Bild